Vita
Hans-Eugen Ekert studierte in Wien Kirchenmusik und Musiktherapie, in etlichen Meisterkursen konnte er seine Studien vervollständigen. Prägende Persönlichkeiten waren Alfred Mitterhofer, Michael Radulescu, Anton Heiller, Luigi Fernando Tagliavini, Harald Vogel, Philipp Herreweghe und Andrea Marcon. Schon vor seiner Wiener Zeit hatte er sich mit der Historischen Aufführungspraxis beschäftigt – der Beginn eines lebenslangen Lernens. In Baden-Württemberg war er einer der ersten Kirchenmusiker, die konsequent die Erkenntnisse der historisch informierten Aufführungspraxis umgesetzt hatten.
Nach einem Aufbaustudium an der Musikhochschule Trossingen (Kirchenmusik A und Cembalo) trat er 1983 die A-Kirchenmusikerstelle an der Lukaskirche in Stuttgart an, die 1995 noch durch die Friedenskirche erweitert wurde. 1986 war er Stipendiat der Kunststiftung Baden-Württemberg, 1988 gründete er das Lukas-Barockorchester Stuttgart, das auf historischen Instrumenten spielt, von 1989 bis zur Schließung des Instituts 1999 hatte er einen Lehrauftrag an der Hochschule für Kirchenmusik in Esslingen. 2010 wurde ihm von Landesbischof July der Titel eines Kirchenmusikdirektors („KMD“) verliehen. Seit April 2017 ist Hans-Eugen Ekert im Ruhestand und freut sich auf neue Entdeckungen.
Zahlreiche Konzerte als Dirigent, Organist, Cembalist und gefragter Continuospieler, aber auch Rundfunk- und CD-Aufnahmen und klingende Museumsführungen kennzeichnen nach wie vor seine vielseitige Tätigkeit. Orgelkonzerte spielt er vornehmlich auf historischen Orgeln oder auf ausgesuchten neuen Instrumenten, wie zum Beispiel 2014 in Tel Aviv. Beliebt sind auch seine Reisen zu historischen Orgeln, etwa nach Thüringen, Siebenbürgen, Hessen oder Norddeutschland, bei denen er einem breiten Publikum die Klangwelten vergangener Zeiten nahebringen kann. Die Beschäftigung mit den historischen Orgeln hat seine Interpretationen nachhaltig geprägt, daran haben besonders die Thüringer Barockorgeln einen wesentlichen Anteil. Mit seinem Wissen um die historischen Gegebenheiten möchte er die Musik der Vergangenheit wieder aktuell „zum Sprechen bringen“ und ihre innewohnende Spiritualität erfahrbar machen.
Das Lukas-Barockorchester Stuttgart
Als Hans-Eugen Ekert 1983 zum Kantor der Lukaskirche wurde, brachte er aus seinen Studienzeiten eine ganz neue, alte Musikrichtung mit nach Stuttgart: Klassische Konzerte in historischer Aufführungspraxis, das war in der Landeshauptstadt ein ungewohntes Novum und stieß auf größte Vorbehalte: „Des macht mr heit nemme!“, urteilte so mancher musikkundige Schwabe und schüttelte indigniert den Kopf, als Ekert den seinen durchsetzte und ab 1985 entsprechende Kurse in der Lukaskirche anbot. Bei seinen Schülern – in der Regel keine Laien, sondern Musikstudenten oder ausgebildete Musiker – stieß die Pionierleistung jedoch auf regen Anklang. Vergleichbares gab es damals nicht einmal an der Musikhochschule, nur bei einzelnen, interessierten Dozenten führte die Alte Musik ein Nischendasein.
Schon bald entwickelte sich ein fester Stamm an professionellen Musikern, die schließlich das Lukas-Barockorchester begründeten. Die Aufführungen lockten schnell Gäste aus der ganzen Region an, fasziniert vom zeitgenössisch-authentischen Klangbild des Barockorchesters: „Historische Aufführungspraxis bedeutet, die instrumentalen und spieltechnischen Gepflogenheiten zu Zeiten der Komposition ernst zu nehmen“, erklärt Ekert. Das bedeutet beispielsweise, die alten Fingersätze zu beachten und natürlich auch, auf alten Instrumenten oder deren Nachbauten zu musizieren. Nicht nur eine teure, auch eine ungewohnte Übung, denn damals verwendete man Darm- statt Metallsaiten – oder gleich ganz andere Instrumente wie die hölzerne Traversflöte. Auch hatte im Barock ein Geigenbogen ein ganz anderes Gewichtsverhältnis. Unter diesen Bedingungen muss das Instrumentalspiel teils auf ganz neue Weise erlernt werden.
Der Lohn aller Bemühungen ist ein Klangbild, wie es das Publikum zu Zeiten der Uraufführungen erlebte, ein ganz neues Verständnis für die Musik der Epoche und ein verändertes Verhältnis zum Instrument: „Man lernt, sich auf die Möglichkeiten des Instruments einzulassen, es zu erforschen und sich führen zu lassen. Es wird sozusagen zum historischen Lehrmeister.“ Auch das Quellenstudium ist unverzichtbar: Zwar gilt Die gründliche Violinschule von Leopold Mozart bis heute als Standardwerk, doch manche Stücke sind nur noch in den Archiven der Bibliotheken erhalten. Dabei stößt Ekert immer wieder auf interessante Entdeckungen: „Georg Muffat weist in seinen Ausführungen zur Spielpraxis zum Beispiel auf Gesetzmäßigkeiten hin, die heute im Jazz Anwendung finden – Swing gab es also auch schon in der Klassik.“ Sein Musikverständnis ist jedoch nicht rückwärts gewandt. Wichtig ist dem Kantor vor allem eins: „Der Funke muss überspringen, der Geist der Musik muss rüberkommen!“ Wenn das Spiel des Orchesters Wärme und Vitalität, Sinnlichkeit und Spiritualität ausstrahlt, dann leben die alten Kompositionen wieder. Dem Lukas-Ensemble gelingt dies ohne Zweifel: Mit schöner Regelmäßigkeit verlassen die Besucher die Konzerte restlos begeistert – ein Schlüsselerlebnis, wie es für Ekert selbst in seiner Wiener Studienzeit war. Sein Vorbild ist Nikolaus Harnoncourt, der „Karajan der Alten Musik“, der durch rigoroses Forschen nach Quellen und viel Experimentierfreude ein vollkommen anderes Klangbild geschaffen hat: Aufgeschlossenheit, die Ekert auch bei seinen Musikern voraussetzt. Im Mittelpunkt des Barockorchester-Repertoires stehen u. a. die Oratorien und Kantaten von J. S. Bach. Ekerts Leidenschaft gilt jedoch in besonderer Weise unbekannteren Komponisten wie Heinrich Ignaz Franz Biber, die „äußerst packende Musik“ geschrieben haben. Mehr als einhundert Konzerte haben die Musiker in den vergangenen 15 Jahren gegeben – das spannende Material wird ihnen sicher auch in den kommenden 15 Jahren nicht ausgehen. (nach: Stuttgarter Zeitung-msb, Juni 2004)
CD-Aufnahme 2018
Auswahl von Projekten als Kantor der Lukaskantorei Stuttgart
„KMD“
Lieber Hans-Eugen,
nun ist das große Geheimnis also gelüftet:
Der Titel eines Kirchenmusikdirektors ist – ein Ausdruck schwäbischer Sparsamkeit? – zwar nicht mit monetären Zulagen verbunden, auch wird der Glanz wohl nicht ausreichen, um zu einer annehmbaren Verbesserung der prekären Lichtverhältnisse in unserem Probenraum zu führen; aber immerhin hat unser Graphiker von heute an drei zusätzliche Buchstaben auf allen Plakaten und Programmheften der Lukaskantorei unterzubringen. Dieses „KMD“ wirkt hoffentlich wie ein knallroter Aufkleber: „Achtung! Hier gibt’s Qualität!“
Das ist natürlich für alle, die Dein Musizieren schon länger begleiten (ob aktiv in Chor oder Barockorchester oder passiv als Konzertbesucher) keine Neuigkeit – aber es ist doch schön, dass dieser Ruf auf dem langen Marsch durch die Institutionen unserer Kirche jetzt ganz offensichtlich unverfälscht dort angekommen ist, wo im Geheimen über solcherlei Ehrungen gewacht wird und von wo aus sie zur großen Überraschung aller hin und wieder verteilt werden.
Nun ist so ein Titel eines Kirchenmusikdirektors ja etwas Merkwürdiges: In Zeiten der Web Designer, Key Account Manager und Personal Coaches scheint er aus einer anderen Welt zu stammen.
Der „Director Musices in Ecclesia“ ist ja auch eine Erfindung aus einer Epoche, in der sich unser Kantor (zumindest musikalisch) auskennt wie sonst kaum einer. Mit Namen wie Johann Sebastian Bach, Carl Philipp Emanuel Bach oder Georg Philipp Telemann beginnt da eine Ahnenreihe, die ab heute um einen Namen reicher ist.
Vielleicht erklärt sich aus dieser puderperückenstaubigen Herkunft ja auch eine gewisse Scheu oder Unsicherheit in der heutigen Verwendung dieses Titels? Die ständige Sorge der Kirche, nicht mehr zeitgemäß zu sein, die immer häufiger dazu führt, dass sie dem Zeitgeist hinterherrennt und dabei allerlei Verrenkungen und Stilblüten hervorbringt, lässt es vielleicht auch geraten sein, mit einer solchen Titelverleihung nicht zu sehr in die Öffentlichkeit zu gehen. Ja, wenn es denn wenigstens ein „Director of Church Music“ wäre, das machte was her …
Aber so haben wir eben diese drei Buchstaben K – M – D, die auch noch ziemlich unmusikalisch sind: Auch auf einem noch so modifiziert mitteltönig gestimmten Cembalo (natürlich nach Ekert 3!) gibt es weder K noch M, gerade mal der Direktor ist vertreten. Doch zum Glück bietet Dein Name da eine stabile harmonische Basis: H–E, die reine Quarte! Und dass es auf diese reine harmonische Basis ankommt, das lernt ja jeder, der unter Deinem Direktorat Musik machen darf.
So ist denn zu hoffen, dass es Dir gelingt, auch diese etwas sperrigen Buchstaben zum Klingen zu bringen und sie in Deine musikalische Welt zu integrieren. Und bitte: nicht im Geheimen, sondern mit dem angemessenen Selbstbewusstsein dessen, der weiß, dass er etwas zu verkündigen hat.
Dass Dir das gelingt, daran haben wir keinen Zweifel, oder, um einen Deiner Lieblingssätze zu zitieren:
WIRD SCHÖN!
(Martin Schliemann anlässlich der Ernennung zum Kirchenmusikdirektor
durch Landesbischof Frank Otfried July im Mai 2010)